Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer fremden Stadt auf einer dunklen Straße. An Ihrer Seite geht ein guter Freund. Zum Glück! Denn die Gegend ist gruselig und Sie beginnen, sich zu ängstigen.

Mit dem guten Freund an deiner Seite kann Ihnen ja nichts passieren. Denken Sie..

Langsam werden Sie nervös und auch ein bisschen hektisch. War da ein Geräusch? Sie gucken sich um! Da! Da war ein Schatten. Und was ist dieses seltsame Rascheln?

Ihr Freund bemerkt, dass Sie Angst bekommen. Sie möchten seine Hand nehmen, würden gerne mit ihm zusammen gehen und am liebsten möchten Sie Schutz durch ihn!

Doch er geht stur geradeaus, beachtet Sie nicht, tut so, als wären Sie Luft für ihn! Er schaut Sie noch nicht einmal an. Er ignoriert Sie komplett.

Wie fühlen Sie sich? Ist das ein guter Freund an Ihrer Seite? Wohl kaum! Zu Ihrer Angst kommt Hilflosigkeit und Kummer.

Früher (!) hat man genau das geraten: "Wenn dein Hund Angst hat, musst du ihn ignorieren!". Früher. Und heute wird dieser alte Hut immer wieder heraus geholt. Leider.

Das ist nicht mehr zeitgemäß!

Modernes Hundetraining nutzt das Konzept des Social Supports - der sozialen Unterstützung. Dabei gilt es, den Hund weder zu ignorieren noch zu bemitleiden. Sondern für ihn da zu sein!

Modernes Hundetraining hat darüber hinaus eine große Bandbreite an effektiven Trainingstechniken zur dauerhaften Minderung von Angst beim Hund.

Wir haben alle die Wahl! Nur unser Hund, er hat diese Wahl nicht.

Und er möchte ganz sicher an der Seite eines guten Freundes unterwegs sein, der ihm hilft, der ihn unterstützt und der nicht versucht, Angstverhalten durch Ignorieren zu strafen.

 

Rike Kranefeld

© stadtlandhund.berlin

 

 

Hey, der setzt sich mit den Zähnen durch! Der ist dominant! Du solltest ihm mal zeigen, wer der Chef ist.

Über kaum einem Verhalten kreisen so viele alte Mythen, wie über Aggressionsverhalten.

 

Stellen Sie sich mal vor, Sie sind auf einer Betriebsversammlung. Alle Angestellten sitzen um einen Tisch und die Chefin sagt: "Leute, es tut mir leid, ich muss einige von euch entlassen."

Die erste Person verlässt den Raum, um sich einen Kaffee zu holen.

Die zweite Person sitzt wie erstarrt vollkommen regungslos am Tisch.

Die dritte Person macht einen Witz und versucht, die Situation mit Humor zu überspielen.

Und dann gibt es da diese Person, die auf den Tisch haut und sagt: "So geht es aber nicht!".

Welche von diesen Personen zeigt "schlechtes Benehmen"? Oder ist jede dieser Verhaltensweisen einfach nur ein unwillkürliche Reaktion? Könnte es sein, dass sich jede dieser Personen plötzlich bedroht fühlt und eine individuelle Strategie wählt, um mit dieser Bedrohung umzugehen?

Ich denke: Ja.

 

Zurück zu unseren Hunden.

Kennen Sie diesen Hund, der in Hundebegegnungen immer ausflippt? Er steht in der Leine und bellt. Ist das dann "schlechtes Benehmen"? Ist das "Dominanz"? Ist es "Ungehorsam"? Nein! Wie schon gesagt: Angst und Stress hat viele Gesichter.

Manche Hunde wollen flüchten, manche stehen regungslos im Freeze, andere zeigen große Aufregung und versuchen, ihr Gegenüber zu beschwichtigen und wieder andere gehen nach vorne und versuchen, den anderen Hund zu vertreiben.

Welche Strategie gewählt wird, hängt von der Persönlichkeit des Hundes und von seinen Lernerfahrungen ab. Manche Hunde wählen auch mehrere der genannten Strategien, teilweise in schneller Abfolge.

Richtig ist, dass wir unseren Hunden immer (!) Unterstützung bieten sollten, egal, welche dieser Strategien sie wählen. Ja, Aggressionsverhalten ist unter Menschen gesellschaftlich nicht sonderlich akzeptiert. "Das macht man nicht, so benimmt man sich nicht".

Fazit: Wenn der eigene Hund ausflippt, neigen wir dazu, unsere eigene Bewertung (und die der Gesellschaft!) auf den Hund zu übertragen.

 

Doch der Hund kommuniziert als Hund und sagt einfach nur: Hey, ich brauche Abstand! Ich brauche Hilfe!

Sie sehen: Das Aggressionsverhalten unserer Hunde ist letztendlich Kommunikation und kein "schlechtes Benehmen".

 

Und egal, welche der oben genannten Strategien unser Hund wählt, wir sollten ihn unterstützen.

Immer.

Ja, es ist stressig. Und es nervt, wenn der eigene Hund Aggressionsverhalten zeigt. Wie schön wäre es doch, wenn er einfach ausweichen würde. Oder ganz still dastünde, bis die Bedrohung vorüber gegangen ist.

Weg mit den Bewertungen! Der Hund fühlt sich bedroht und er braucht Strategien, ruhiger mit der Bedrohung umzugehen.

Lassen Sie die Leute reden. Suchen Sie sich eine Hundeschule, die verstanden hat, dass hinter jedem Verhalten eine Emotion steht. Und dahinter steht ein Bedürfnis. Die verstanden hat, dass Aggressionsverhalten immer dazu dient, Distanz zu schaffen.

Und auch, wenn es uns erschreckt, wenn es uns selber ängstigt und wenn es uns peinlich ist, dass der Hund ausflippt: Es ist und bleibt Kommunikation.

Unterstützen wir unsere Hunde, geben wir ihnen Schutz und lernen wir, sie zu verstehen, sie zu leiten, sie zu unterstützen und sie vor Bedrohungen zu schützen.

Und im Zweifel, im Zweifel entscheiden wir uns für Mitgefühl.

 

Rike Kranefeld

© stadtlandhund.berlin

 

Ihr Hund kann nicht alleine bleiben? Aufgepasst! Denn zu dem Thema Trennungsangst kursieren sehr viele kontraproduktive Trainingsanleitungen.

Haben Sie auch schon jede Menge "Tipps" bekommen? Dann wird es höchste Zeit, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Gegen bereits vorhandenen Trennungsstress hilft nicht:

  •  striktes Deckentraining
  •  Rangreduktion
  •  Reduktion von Zuwendung
  •  ausheulen lassen
  •  eine geschlossene Hundebox
  •  einfach einen Kong oder Kauartikel zur Ablenkung geben
  •  Verbot, im Bett oder auf dem Sofa zu liegen
  •  Training gegen vermuteten "Kontrollzwang"
  •  stundenlanges "Auspowern"
  •  trennungsbedingtes Verhalten zu bestrafen
  •  einen Maulkorb aufzusetzen
  •  den Hund anzubinden
  •  so lange vor der Tür warten, bis der Hund sich beruhigt

 

Diese Elemente gehören zu einem zielführenden Training:

  •  Vermeidung von unbewältigten Trennungen
  •  Reduktion von Hintergrundstress jeder Art
  •  Bearbeitung von Ängsten und Aufregung im Alltag
  •  Behandlung gesundheitlicher Probleme, insbesondere Schmerz
  •  Aufbau eines Entspannungsortes
  •  Aufbau von Entspannungssignalen
  •  Aufbau von Erwartungssicherheit
  •  kleinschrittiger Aufbau von Trennungszeiten
  • systematische Desensibilisierung

 

Wichtig: Es braucht einen sehr genauen Plan, der die oben genannten Punkte miteinander verbindet!

Stellen Sie vor, Sie bauen ein Haus. Sie brauchen ein Grundstück, Sie gießen ein sicheres Fundament, Sie besorgen und verbauen verschiedene Materialien und natürlich folgen Sie einem Bauplan.

Das Fundament ist eine umfassende Stressreduktion. Im echten Leben käme wohl kaum jemand auf die Idee, ein Haus während eines Erdbebens zu bauen!

Für den Hausbau gilt das Motto: Hast du es eilig, gehe langsam. Das Tempo bestimmt der Hund! Und Schritt für Schritt wird auch Ihr Hund lernen, sich beim Alleinebleiben rundherum wohl und sicher zu fühlen.

Das Training von Trennungsstress geht in vielen Fällen nicht von heute auf morgen. Sollte Ihr Hund Probleme mit dem Alleinebleiben haben, sprechen Sie mich bitte an. Gemeinsam werden wir ermitteln, welcher Trainingsaufbau individuell zu Ihnen und zu Ihrem Hund passt und welchen Zeitrahmen Sie ungefähr einplanen müssen.

 

Rike Kranefeld

© stadtlandhund.berlin

Entspannt beim Tierarzt

 

Dieser süße Trick ist ein mächtiges Werkzeug im Hundetraining. Denn mit Hilfe eines solchen Tricks darf der Hund eine ärztliche Behandlung jederzeit STOPPEN.

Wie, der Hund darf die Behandlung stoppen? Lässt er sich dann überhaupt noch untersuchen?

Ja! Weil er STOPP sagen darf.

Stellen Sie sich vor, Sie sind beim Zahnarzt und Ihnen wurde verboten, die Hand zu heben. Der Zahnarzt bohrt und bohrt, Sie fühlen sich unwohl, es tut etwas weh, Sie brauchen dringend eine Pause.

Sprechen können Sie nicht. Die Hand heben dürfen Sie nicht. Der Zahnarzt ignoriert, wie Sie Ihren Körper anspannen. Sie versuchen, zu sprechen. Auch das ignoriert er. Er bohrt einfach weiter.

Was würden Sie tun? Wahrscheinlich aus dem Stuhl springen! Und das hoffentlich, ohne aus Reflex den Bohrer aus der Hand zu schlagen! Vielleicht würden Sie auch schreien? Sie möchten nur noch raus da!

Zu diesem Arzt würden Sie nie wieder gehen. Denn Sie haben das Vertrauen verloren. Und dann? Suchen Sie sich einen Arzt, der Sie ernst nimmt und Ihnen erlaubt, eine kurze Pause zu machen.

Genau das Prinzip wirkt bei unseren Hunden! Sie dürfen STOPP sagen, ohne vom Tisch zu springen oder sogar zu knurren oder zu schnappen. Sie erhalten Selbstbestimmung. Und Vertrauen.

Der süße Trick auf dem Foto ist ein Kooperationssignal. Solange der Hund das Kooperationssignal ausführt, wird untersucht und behandelt. Unterbricht der Hund das Signal, wird gestoppt. Erklärt sich der Hund nach kurzer Pause wieder bereit, wird weiter behandelt.

Meine eigene Hündin Lina hatte als Straßenhund ein schwer traumatisches Tierarzterlebnis. Tierarztbesuche, einfache Behandlungen oder auch nur Pflegemaßnahmen waren der Horror für sie. Wir haben von Tag eins an trainiert, dass sie Untersuchungen und Behandlungen SELBSTBESTIMMT steuern darf.

Sicher: In Notfällen oder bei sehr schmerzhaften Behandlungen ist das Prinzip nicht immer umsetzbar. Aber Linas Vertrauenskonto ist durch das Training so gut gefüllt, dass sie schon beim nächsten Besuch wieder bereitwillig kooperiert.

Auf dem Foto saß sie vollkommen ruhig auf dem Tisch, Auge in Auge mit der Tierärztin. Ihre Ohren waren leicht entzündet.

Ohren umklappen, Otoskop einführen, untersuchen, Ohrspülung eingeben und einmassieren hat nur zwei Minuten gedauert. Danach war eine Untersuchung der Zähne dran.

Lina saß immer noch entspannt, aufmerksam, abwartend, voller Vertrauen. Es sah fast aus, als hätte sie es genossen.

Ihre Belohnung hat sie sich redlich verdient!

 

Rike Kranefeld

© stadtlandhund.berlin

 

 

Du musst der Alpha sein!


Nein, musst du nicht.

Zitat: "In den 1970er Jahren wurde die Alphatheorie von dem Verhaltensforscher David Mech ins Leben gerufen, als dieser Wölfe in einem Gehege beobachtete. Die beobachteten, nicht verwandten Wölfe waren von Menschen zusammengewürfelt worden und entsprachen dadurch nicht der Realität eines frei lebenden Rudels. In dieser Konstellation kam es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen den sich fremden Tieren. Daraus schloss der US-amerikanische Forscher, dass Wölfe um eine Alphaposition kämpfen.

In der Natur leben Wölfe jedoch anders zusammen: Ein Wolfsrudel besteht aus einem Elternpaar und deren Jungen, die noch keine eigene Familie gegründet haben. Angeführt wird dieses Rudel von den Elterntieren, die „Alphatiere“ sind also Vater und Mutter, wie in einer menschlichen Familie. Kämpfe um diese Hierarchie gibt es bei frei lebenden Wölfen nicht, vielmehr versuchen die Tiere (genau wie Hunde) soziale Kämpfe und Konflikte zu vermeiden.

Aus dem ersten falschen Schluss entwickelte Mech die Alphatheorie, die auch auf Hunde übertragen wurde. Laut der Theorie versuchen Hunde andauernd, ihren Menschen zu dominieren. In der Praxis solle der Mensch deshalb immer hart durchgreifen und dem Hund „zeigen, wer der Anführer ist“.

Der Fehlschluss: Da ein Mensch nicht der biologische Erzeuger eines Hundes ist, wird die Rangordnung im Zusammenleben überflüssig. Sowohl auf Hunde als auch auf Wölfe trifft die Alphatheorie nicht zu. Auch der Wissenschaftler Mech erkannte seinen falschen Schluss – sein Buch „Der Wolf – Ökologie und Verhalten einer bedrohten Art“ hält er selbst seit den 1990er Jahren für überholt."

Hier der ganze Artikel:

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2024/04/alphatheorie-widerlegt-hunde-brauchen-keinen-menschlichen-rudelfuehrer

Ganz abgesehen davon, dass der Begriff des Alphatiers eine menschliche Erfindung ist: Unsere Hunde sind seit hunderten von Jahren auf Kooperation mit uns gezüchtet. Niemand muss irgendwen dominieren oder wird dominiert. Eine Zusammenarbeit ist so viel effektiver als jede "Alphatheorie".


Futter niemals vom Boden geben?

 

... dann wird der Hund auch niemals vom Boden fressen?

Ich stehe auf einem komplett gegenteiligen Standpunkt und finde es wichtig, dass Hunde ihr Futter unter anderem auch vom Boden aufnehmen dürfen. Das gilt auch - und gerade - für die Hunde, die dazu neigen, draußen Fressbares zu suchen.

Wie jetzt? Futtersuche gegen Giftköder?

Hunde waren ursprünglich Kulturfolger des Menschen und sind mit Abstand das älteste Haustier in der Menschheitsgeschichte. Es gilt mittlerweile als weitgehend gesichert, dass die Vorfahren unserer Hunde sich menschlichen Siedlungen angenähert haben, um sich dort von Abfällen zu ernähren.

Die Futtersuche ist demnach genetisch bedingt und zählt meiner Ansicht nach zu einem wichtigen Grundbedürfnis des Hundes.

Indem ich dieses Bedürfnis in einem bestimmten Rahmen erfülle - zum Beispiel durch die Gestaltung von Suchspielen und die Gabe von Belohnungen am Boden - schaffe ich eine der Grundlagen für das Training gegen die unkontrollierte Futteraufnahme.

Diese Erfahrung habe im Rahmen von Anti-Giftköder-Training immer wieder gemacht: Das Liegenlassen eines "Köders" lässt sich schneller und besser verstärken, indem die Belohnung gezielt am Boden gegeben wird.

Die Suche nach der Belohnung hat einen ganz eigenen belohnenden Charakter und bildet einen wichtigen Verstärker im Training gegen unerwünschte Futteraufnahme.

Außerdem lässt sich der möglicherweise entstehende Frust so ideal reduzieren: Das Grundbedürfnis des Hundes nach Nahrungssuche wird erfüllt - in enger Zusammenarbeit mit dem Menschen und als besondere Belohnung.

Dazu kommt, dass Hunde genau wissen, dass sie *unser* Futter aufnehmen, wenn wir am Boden belohnen. Unser Futter ist ihnen bekannt, unser Geruch haftet daran und wir verbinden es normalerweise mit einem Signal wie "such" oder "nimm" oder schlicht mit einem Lobwort.

Für unsere Hunde macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob wir ein Leckerchen auf Kniehöhe, auf Knöchelhöhe oder vom Boden geben. Oder ob wir ihren Futternapf auf den Boden stellen.

Ein weiterer Vorteil der Futtersuche am Boden bzw. der Belohnung vom Boden: Über Schnüffeln und Suchen kann der Hund hervorragend Stress abbauen. Stress ist nicht selten unter anderem einer der Gründe, warum Hunde dazu neigen können, draußen Müll und Essensreste zu suchen.

Die Reduktion von Stress - auch unter anderem durch Suchspiele - kann einer der wesentlichen Grundsteine für Anti-Giftköder-Training sein.

Und jetzt Hand auf's Herz: Wir alle geben gerne Kauartikel oder Knochen. Und unsere Hunde fressen sie am Boden. Auch die Schnüffeldecke, der Kong, der Futterdummy und der Leckerchenball gehören mittlerweile ganz normal zum Hundealltag.

Und? Hat das Auswirkungen auf unerwünschte Futtersuche? Wohl kaum!

Gegen die Aufnahme von Giftködern hilft nur eins: Ein gut aufgebautes Anti-Giftköder-Training.

In diesem Sinne: Weg mit dem schlechten Gewissen - und den alten Hüten!

 

Rike Kranefeld

©stadtlandhund.berlin

Eine kleine Geschichte vom Mitgefühl


Vor ein paar Tagen sind wir durch unseren Stadtteil gelaufen, haben die Sonne genossen und Lina durfte alles abschnüffeln und etwas Sightseeing machen.

Auf dem Rückweg sind wir in die schmale, verkehrsberuhigte Straße eingebogen, in der auf der linken Seite direkt ein kleiner Feinkostladen kommt, der nur Käse verkauft.

Die Tür dieses Ladens steht bei schönem Wetter immer offen und es ist ein festes Ritual, dass sich Lina in die offene Tür stellt, den Kopf hebt und mit hoher Nase in die Welt des Käsedufts eintaucht.

Doch heute war alles anders. Kurz vor der Ladentür ist Lina plötzlich auf die Fahrbahn abgebogen und wollte quer über die Straße. Das hat mich sehr gewundert.

Schräg gegenüber ist ein kleiner Modeladen, auf den Fensterbänken an den Schaufenstern liegen Sitzkissen und dort saß eine mir unbekannte Frau in der Sonne.

Ich sagte zu Lina: "Wo möchtest du denn hin?"
Die unbekannte Frau antwortete: "Zu mir!"

Also bin ich Lina gefolgt und über die Straße gegangen.

Lina hat an der Leine gezogen und sich sofort mit ihrem ganzen Körper an die Beine dieser Frau gedrückt. Dann hat Lina den Kopf gehoben und über die Schulter hinweg in ihr Gesicht geblickt.

Die Frau legte eine Hand auf Linas Rücken und fing im selben Augenblick an, bitterlich zu weinen.

Gestern musste sie ihre geliebte Hündin gehen lassen, sie war fast 15 Jahre alt geworden. Die Frau erzählte mir unter Tränen, wie schnell alles gegangen war und dass sie es immer noch nicht fassen kann.

Und während Lina eng an sie gedrückt stand, erfuhr ich die ganze Geschichte. Nach und nach spürte ich, wie der Schmerz der Frau nachließ. Was blieb, war die Erleichterung, reden zu können und gleichzeitig Lina im Arm zu halten.

Die Tränen waren getrocknet, nun legte sich Lina entspannt auf die Seite in die Sonne. Wir unterhielten uns noch ein bisschen und plötzlich bemerkte ich, dass Linas Pfoten fest gegen den Fuß dieser vollkommen unbekannten Frau gedrückt waren.

Vergessen war der Laden, der Käseduft, die offene Tür. Die Trauer war über die Straße herüber geweht und Lina hat sofort gespürt, dass sie Trost spenden kann.

Zurück blieb eine tiefe Dankbarkeit dem Leben mit Lina gegenüber. Kein Hund hat mich jemals so viel gelehrt, wie sie es getan hat.

Denn anfangs war sie alles andere als sanft und mitfühlend. Sie war schnell, laut und überbordend!

Ihre Angst, ihre Wut, ihr Frust und ihre Trauer führten dazu, dass sie wahlweise auf den Hinterbeinen stand und schrie oder dass sie sprang, kreiselte, bellte und versuchte, die Leine durchzubeißen.

Ihrem ungezügelten Verhalten stand ich anfangs hilflos gegenüber und legte nach und nach viele ausgewählte Trainingswerkzeuge in meine Kiste der positiven Verstärkung.

Und wisst ihr, welches das wichtigste Werkzeug war?

Es war Social Support. Social Support zeigen viele Säugetiere, die in Gruppen zusammen leben. Und auch für uns Menschen ist er unerlässlich.

Wenn eine nahestehende Person verängstigt, traurig, verärgert oder frustriert ist, dann lässt du sie nicht allein mit diesen Gefühlen. Sondern bist für sie da und unterstützt sie so gut es geht!

Und wenn du dann siehst, die Emotionen sind so überwältigend, dass die Person weint oder schreit oder unruhig wird, dann wirst du sicherlich helfen wollen und nicht einfach nur sagen: „Jetzt reiß dich mal zusammen und benimm dich!“.

Warum neigen wir bei unseren Hunden dazu, überwältigende Emotionen als „schlechtes Benehmen“ einzuordnen? Und als “Erziehungsauftrag“ zu verbuchen?

Versteht mich bitte nicht falsch, selbstverständlich brauchen Hunde unsere Erziehung, um sich in unserer Welt gut zurecht zu finden und entspannen zu können.

Doch in Momenten der überbordenden Emotion brauchen unsere Hunde vor allem eins: Liebevolle Zuwendung! Denn daraufhin wird Oxytocin ausgeschüttet.

Dieses Bindungshormon ist in der Lage, den Cortisolspiegel, die Herzfrequenz und den Blutdruck zu senken. Soziale Unterstützung ist ein sehr effektives Werkzeug, um akuten Stress zu dämpfen und deinem Hund durch die schwierige Situation zu helfen.

Und Lina? Was hat sie getan, als sie die starke Trauer der unbekannten Frau gespürt hat?

Sie ist zu ihr gelaufen und hat gesagt: Hey, ich bin da! Ich gebe dir Körperkontakt. Du kannst deine Hand auf mich legen und mich halten und dann werde ich dich halten und dich durch die schwere Emotion hindurch tragen.

Unsere Hunde sind so zauberhafte, erstaunliche Tiere. Sie begleiten uns durch Höhen und Tiefen und sind für uns da in unseren dunkelsten Stunden.

Ich hoffe, wir Menschen werden eines Tages in der Lage sein, alle alten Konzepte von “Dominanz“ und “Führung“ endgültig über Bord zu werfen und unseren Hunden das zurück zu geben, was für sie so vollkommen selbstverständlich ist: Bedingungslose Liebe und Unterstützung.

Und wenn dein Hund das nächste Mal ausrastet, dich anspringt oder zum x-ten Mal in die Leine brettert, dann frage dich, welche Emotion dahinter stehen könnte. Und auf welchem Weg sich diese Emotion schnell und sanft regulieren lässt.

Und wenn du nicht weißt, wie du reagieren sollst, dann hilft es dir vielleicht, einmal tief durchzuatmen und an den Leitsatz zu denken, der mich durch die schwere Zeit mit Lina getragen hat:

Im Zweifel entscheide dich für Mitgefühl! ❤️

Und ihr werdet sehen: Irgendwann wird dieses Mitgefühl zu euch zurück kommen.




Rike Kranefeld

©stadtlandhund.berlin

 

1. Nicht ableinen: Auch der coolste Hund kann sich erschrecken, wenn plötzlich in direkter Nähe ein Feuerwerkskörper explodiert. Keine Flexileinen verwenden! Flexileinen können tödlich sein, wenn sie in der Knallerei zu Boden fallen und klappernd hinter dem Hund her schleifen!

2. Unsichere Hunde bitte besonders sichern: Aus den normalen Geschirren kann sich jeder Hund blitzartig heraus ziehen. Und das alleinige Tragen eines Halsbandes ist bei Angst ebenfalls nicht sicher genug! Sinnvoll ist die doppelte Sicherung mit Halsband und Geschirr an zwei Führleinen, dabei wird eine Leine am eigenen Körper befestigt. Alternativ: Kauf eines Sicherheitsgeschirrs, das nicht über den Brustkorb rutschen kann.

3. Hund ausführen lassen: Kinder sollten in den Tagen rund um den Jahreswechsel den Hund weder alleine ausführen, noch die Leine in der Hand halten, wenn die Familie gemeinsam unterwegs ist. Verwandte und Freunde sollten zuverlässig sein und entsprechend informiert werden für Spaziergänge mit dem Hund. Auch hier gilt: Gut sichern und niemals ableinen.

4. Vielseitige Belohnung einsetzen: Gegen die Entstehung von Angst hilft das Erzeugen positiver Emotionen. Es knallt oder blitzt? Sofort mit sehr beliebtem Futter oder bereits bekanntem Spiel belohnen und Spaß mit dem Hund haben. Ängstliche Hunde brauchen deutlich mehr Unterstützung. Um keinen Kontrollverlust zu erleiden, sollten sie in Angstmomenten spezielle Signale ausführen. Mit dem gezieltem Training solcher Sicherheitssignale lässt sich Angst dauerhaft und sehr wirksam reduzieren.

5. Safety first: Mit einem ängstlichen Hund bitte nur in Gebieten spazieren gehen, wo kein Feuerwerkslärm zu erwarten ist. Sollte dies nicht möglich sein, Spaziergänge reduzieren und auf Beschäftigung im Haus ausweichen. Auch im Garten sind unsichere Hunde nur an der (langen) Leine wirklich sicher - ein Schlupfloch ist schneller gefunden, als man denkt.

6. Angstverhalten richtig einordnen: Angst ist auf der Körperoberfläche nicht auf Anhieb sichtbar und sie kann sich sehr schnell verschlimmern. Das Motto: "Er wird sich schon daran gewöhnen" gilt bei Silvesterangst ganz und gar nicht! Oft ist das Gegenteil der Fall, gerade bei jungen oder unsicheren Hunden. Bitte niemals denken: "Da muss er durch!". Auch das kann fatale Folgen haben.

7. Fels in der Brandung sein: Soziale Unterstützung ist hochwirksam in Momenten der Angst. Dabei gilt es, den Hund in seiner Angst weder zu ignorieren noch zu bemitleiden. Hilfreich kann sein, sich eine beängstigende Situation beim Arzt oder im Krankenhaus vorzustellen: Welcher Umgang würde mir selbst in meiner eigenen Angst am besten helfen?

8. Körperkontakt zum Trost genau überdenken: Manche Hunde fühlen sich von Berührungen im Moment der Angst bedroht oder eingeschränkt. Dies gilt besonders für kleine Hunde, die auf den Arm genommen werden. Reagiert der Hund wirklich entspannt auf die Berührung? Oder wirkt er aufgeregt oder komplett gehemmt? Im Zweifelsfall ist ein sicherer Liegeplatz, eine hochwertige Belohnung, ein Lieblingsspiel oder ein Kauartikel besser zur Entspannung geeignet.

9. Am Silvestertag: Für längere Spaziergänge bitte auf Gebiete ohne erwartbares Feuerwerk ausweichen. Sobald mehr Feuerwerk hörbar ist, bitte nur noch kurze Gänge zum gewohnten Löseplatz machen. Spätestens ab 20 Uhr sollte der Hund im Haus bleiben. Bitte unbedingt darauf achten, dass keine Türen oder Fenster offen stehen und kein Hund unbemerkt hinaus schlüpft!

10. In der Silvesternacht: Schon vor Mitternacht gemeinsam mit dem Hund an einen bequemen und sicheren Ort seiner Wahl gehen. Musik und verdunkelte Fenster können helfen, den Silvesterlärm etwas abzuschirmen. Entspanntes Kuscheln, Kauartikel oder Suchspiele können zur Beruhigung beitragen. Sollte sich der Hund verkriechen, ist das vollkommen in Ordnung. Der Mensch kann dennoch für den Hund da sein, ihn von Angstauslösern abschirmen und mit entspannter Anwesenheit beruhigen.

Ein kurzes Wort zu Medikamenten und Nahrungsergänzungen: Diese werden viel diskutiert und so kurz vor Silvester bleibt nur noch zu sagen, dass auf Medikamente mit dem Wirkstoff Acepromazin (Packungsbeilage lesen!) unbedingt verzichtet werden sollte. Dieser Wirkstoff lähmt zwar den Körper aber ist leider nicht angstlösend!

Der Hund wirkt nur äußerlich ruhig und bleibt innerlich panisch. Eine Geräuschangst kann sich unter Acepromazin sogar verschlimmern. Andere, besser geeignete Medikamente sollten dem ängstlichen Hund nur nach Absprache mit dem fachkundigen Tierarzt gegeben werden.

Eine sinnvolle Behandlung der Geräuschangst ist und bleibt das zielgerichtete Training - am besten direkt zu Jahresbeginn.

Mit gutem Trainingsplan und unter Anleitung können Ängste wirksam und dauerhaft minimiert werden. So sind Mensch und Hund auch für die vielen sommerlichen Feuerwerke bestmöglich vorbereitet.

 

Rike Kranefeld

© stadtlandhund.berlin

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